Zora schrieb on 12.03.14 um 08:57:32:
Guter Artikel, der vor allem nicht versucht, die Krise in der Ukraine auf eine simple Gut-Böse-Gleichung runterzubrechen, sondern genau diese Vereinfachung zum Thema macht und kritisiert. Zwei Punkte noch als Anmerkung:
Erstens: Der damals noch durchaus pro europäisch orientierte Viktor Janukowitsch hat im November 2012 in der Ukraine ein drakonisches Rauchverbot verhängt, das theoretisch sogar öffentliche Plätze einbezieht („theoretisch“ deshalb, weil sich draußen niemand dran hält).
Zweitens zur Erinnerung: Es ist der „böse Autokrat“ Putin, der Edward Snowdon Asyl und damit Schutz vor den Nachstellungen der „guten“ Amerikaner gewährt. Von den „freiheitsliebenden“ Europäern war dazu niemand bereit. Man lässt sich lieber abhören und ausspionieren von den „Freunden“ jenseits des Atlantik. Zum Kotzen!
Das russische Rauchverbot ist dir aber hoffentlich ebenfalls bekannt? Es wird stufenweise eingeführt. Diesen Sommer ist u.a. die Gastronomie dran. Und die Fernzüge.
http://www.handelsblatt.com/politik/international/rauchverbot-russland-verbietet...Das Thema "unverdaulicher Medieneinheitsbrei" in der Berichterstattung hat im Fall Ukraine eine besondere Note bekommen, denn die Kommentarbereiche der Medien werden in - jedenfalls von mir - bislang nicht erlebtem Ausmaß und nahezu flächendeckend, jedenfalls was die "großen" Medien betrifft, von entweder bezahlten Forumsschreibern oder vielleicht auch ehrenamtlichen Kreml-Getreuen gefüllt, die sich die offizielle Putinsche Sichtweise hundertfünfzigprozentig zu eigen gemacht haben und meinem Eindruck nach nach einem Argumentationsleitfaden arbeiten.
Verglichen mit Zahl der neu angemeldeten Diskutanten und der Anzahl ihrer Beiträge sind die Pro-Rauchfrei-Schwadronen ein armseliges Häuflein gewesen.
Daß die PR-Arbeit des Kremls noch lausiger ist, soll jetzt die unbefriedigende Arbeit unserer Medien nicht entschuldigen, aber es verbessert den Informationsstand der Leser natürlich auch nicht. Vor allem sabotiert es echte Diskussionen, und es macht es noch schwerer, bei den vorgebrachten Informationen die Spreu vom Weizen zu trennen.
Bei mir führte es zum Beispiel dazu, daß mir der Novo-Artikel schlecht vorkam. Bei einigen Punkten ist bei mir sofort die Klappe runtergegangen, weil das von den "üblichen Verdächtigen" ebenfalls, und zwar mit der Dickfelligkeit eines Grenzdebilen und der Monotonie einer gesprungenen Schallplatte bei jeder vermeintlich passenden Gelegenheit vorgebracht wird. (Es sind viele solche gesprungenen Schallplatten unterwegs, und sie halten die absonderlichsten Gelegenheiten für passend.)
Quote:Der russlandfeindliche Konformitätsdruck in deutschen Redaktionsstuben scheint beachtlich. So wird etwa der penetrante anti-russische Unterton nahezu aller Korrespondenten in der Ukraine plausibel. Je kritischer gegen Putin, desto besser. Selbst wenn sie dabei qualitativ schlechte Arbeit abliefern, stört das ihr berufliches Fortkommen in den Sendern offensichtlich nicht - im Gegenteil. Man denke nur an das viel kritisierte ARD-Interview des Moskau-Korrespondenten Thomas Roth im Jahr 2008 mit Wladimir Putin zum Georgienkrieg. Dieses nachträglich massiv zuungunsten Putins zusammengekürzte Interview schadete Roth nicht. Heute hat er den prestigeträchtigen Job des „Tagesthemen“-Moderators.
Das ist auch so eine Sache aus dem Argumentationsleitfaden. Ich kann immerhin dies aus eigener Anschauung beurteilen, denn dieses Interview habe ich - in voller Länge - gesehen und kann keinen der Einwände des Autors nachvollziehen. So schlecht war das Interview nun nicht geführt, zumal wenn man bedenkt, daß Putin kein einfacher Interviewpartner ist. Putin hat, und das ist jetzt nicht als Dämonisierung gemeint, die lästige Angewohnheit, seine Gesprächsparter totzureden ... und da niemand es wagen würde, ihn zu unterbrechen, tut er das oft und ausgiebig. Vielleicht merkt er es nicht einmal. Man muß sich aber außerdem, egal, wie sorgfältig man sich seine Fragen überlegt, immer darauf einstellen, daß er, wenn eine ihm nicht gefällt, sie sehr ausführlich mit einer Off-topic-Antwort beantworten wird. Verblüffenderweise bemerken das viele nicht einmal, vermutlich deshalb, weil auch seine Off-topic-Antworten durchaus inhaltliche Substanz haben, und in der Form kennen wir das von unseren Politikern nicht. Es ist aber eine Substanz, die mit der Frage gar nichts zu tun hat, und ich bin so frei, das nun wieder als absichtliches Ablenkungsmanöver zu betrachten, weil sich mir nicht erschließt, wie so was versehentlich passieren soll.
Und was kann der Interviewer eigentlich für die Art der vorgenommenen Kürzungen? - Daß man ein Dreißig-Minuten-Interview nicht vollständig in einer Nachrichtensendung unterbringen kann, sollte sich wiederum von selbst verstehen.
Ich glaube, wäre die zitierte Passage nicht gewesen, hätte ich mir vielleicht die Mühe gemacht, den Artikel nach dem Überfliegen doch noch einmal im Ernst zu lesen, aber die hat mich doch zu sehr verdrossen.
Mich hat die Putin-Dämonisierung der letzten Monate aber auch gewaltig gestört. Klar ist mir allerdings, daß berechtigte Schelte an die Adresse unserer Medien nicht bedeutet, daß ich es für normal halten kann, wenn ein Land sich einen Teil des Staatsgebietes eines anderen unter den Nagel reißt ... wonach es im Moment ja gerade aussieht. Das geplante Referendum kann ich unter den gegebenen Voraussetzungen nur als schlechten Witz betrachten. Bei so was geb ich Putin auch als vorheriges Medienmobbing-Opfer keinen Bonus mehr.
Ich finde aber, gerade jetzt erkennt man besonders gut, um wie wenig es bei dem Putin-Bashing vorher letztlich ging, und kann die Aufgeregtheit hinter der Berichterstattung von Frauen Dings Riot bis Sotschi-Türklinken eigentlich nur noch als Ausdruck eines Wertesystems mit verschobenen Maßstäben sehen.